KAB Seckenheim

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1907: Seckenheim ist im Umbruch. Bisher ein Dorf mit traditionell ländlichem Charakter, das seine Entwicklung erfolgreich durch Landwirtschaft und Handwerk sicherte, wird immer mehr durch die nahe Industrie und die Stadt Mannheim beeinflusst. Die Seckenheimer verstanden es, Industrieansiedlungen in Ortsnähe zu vermeiden. So entstanden Industriegebiete auf dem „Sand“ (später Rheinau), in Friedrichsfeld, an der Bahnlinie und an der Mannheimer Landstraße. Im Ort gabes neben einer Brauerei einige Zigarrenfabriken. An der „Station“ wurde 1906 die Rangieranlage ausgebaut, Arbeitsplätze für viele Seckenheimer.
Besonders die Rheinau nimmt zu dieser Zeit eine stürmische Entwicklung. Begünstigt durch die Bahnlinie und die Rheinbegradigung siedelten sich dort chemische Betriebe an, nach dem Ausbau des Hafens auch Kohlenhandel und verwandte Gewerbe. Der Bevölkerungsanteil der Rheinau wächst auf 40% der Seckenheimer. Es kommt zu Spannungen, am 1.1.1913 wird Rheinau Ortsteil von Mannheim.
 
Die führende bäuerliche Schicht verliert an Einfluß. Das „Zentrum“ und die Sozialdemokraten verhindern 1907 die Wiederwahl des amtierenden Bürgermeisters Georg Volz (wird 1909 wiedergewählt). Der zunehmende Anteil der Arbeiterschaft an der Bevölkerung schafft soziale Probleme. Dieser Entwicklung steht man nicht tatenlos entgegen.

Man stellt sich den Herausforderungen. 1906 wird das neue Schulhaus fertiggestellt; 1904 wurde die neue

St. Aegidius-Kirche, dreimal größer als die alte, eingeweiht; 1907 wird ein Belegkrankenhaus eingerichtet.
Später, 1911 folgt der Wasserturm und die Wasserversorgung.
Viele Vereinsgründungen fallen in diese Zeit und zeugen von solidarischem Denken: 1906 das DRK (freiwillige Sanitätskolonne), die Freiwillige Feuerwehr, 1907 Gesangsverein die „Liedertafel 1907“ und der „Sportverein 07“.
 
Die Katholiken gruppieren sich um den Männerverein Zentrum, sie stehen politisch dem konservativen Bauerntum und insbesondere den Sozialdemokraten gegenüber. Die Katholiken habe im preußischen Kaiserreich immer noch einen schweren Stand (Kulturkampf). Dies führt zur engen Bindung an die Kirche, formt den Zusammenhalt. Kirchenfeste werden mit voller Pracht gefeiert. Es herrscht Kirchenzucht und Pfarrer Valentin Pfenning ist als Autorität anerkannt und beliebt.
 
Schon 1899 wurde der Krankenpflege- oder Schwesternverein gegründet, als Träger der Kindergärten, Nähschule und Schwesternhäuser. Die Gründung des Katholischen Arbeitervereins trug die deutliche Handschrift von Pfarrer Valentin Pfenning, wahrscheinlich durch die ländliche Struktur Seckenheims später als in anderen Orten (Waldhof 1889). Die Sorge um das soziale und seelische Wohlergehen der Arbeiter und ihrer Familien war der endgültige Auslöser. Der Arbeiterverein versteht sich als Bildungsgemeinschaft. Aber auch durch Schaffung einer Sammelsparkasse und durch gemeinsamen Warenbezug wurden so mancher Familie Ersparnisse möglich gemacht.

Ereignisse des Jahres 1907:



Erstes Protokoll des Katholischen Arbeitervereins Seckenheim

„Da der ehemalige Bauernort Seckenheim in Folge der Nähe der Industriestadt Mannheim in letzter Zeit besonders katholischerseits immer mehr mit Arbeiterbevölkerung durchsetzt wurde, musste sich von selbst der Gedanke nahe legen, an dem so wichtigen Platz einen katholischen Arbeiterverein ins Leben zu rufen. Wiederholt wurde auch die Frage in den Männerveins-Versammlungen angeregt. Allein gerade auf Seite der Arbeiterwelt war im allgemeinen wenig Neigung für einen Arbeiterverein. Man glaubte mit dem etwa 300 Mann starken Männerverein die gleichen Ziele erreichen zu können und versuchte es auch dort; hauptsächlich aber legte sich die Befürchtung nahe, es könnte durch zwei Vereine die Einigkeit der hiesigen Katholiken in die Brüche gehen.
Andererseits konnte man sich aber nicht verhehlen, dass die große Mehrzahl der Jünglinge und jungen Männer aus dem Arbeiterstand vom Männerverein als einem dem Namen nach politischen Verein nicht viel wissen wollten. Auch war man vielfach im Männerverein mit allzu häufigen monatlichen Versammlungen nicht einverstanden, und es war schwer, die Arbeiterinteressen in den Versammlungen immer vorzugsweise zu berücksichtigen, weil sonst die anderen Stände unzufrieden geworden wären. Ein längeres Zaudern ließ befürchten, dass die jüngeren Arbeiter immer mehr der Sozialdemokratie sich zuwandten und damit auch für die Kirche verloren gingen. Dagegen konnte man hoffen, dass die katholischen Arbeiter einem Arbeiterverein sich lieber anschließen würden. Die Umwandlung des Männervereins in einen Arbeiterverein, wie das vielfach befürwortet wurde, hätte nur den Namen geändert, die Sache wäre die gleiche geblieben.

Von diesen Erwägungen getragen und nach reiflichem Überlegen lud der Ortspfarrer Valentin Pfenning am Sonntag, den 6. Oktober 1907, von der Kanzel aus alle katholischen Jünglinge und Männer, die ein Interesse an der Gründung eines Arbeitervereines haben, zur Besprechung dieser Angelegenheit auf Nachmittag, 4 Uhr in den Saal zum „Schwanen“ ein.

Die Zahl der Erschienen war eine sehr geringe; anfangs waren kaum 20 Personen anwesende, schließlich wuchs die Zahl auf 39. Der Ortspfarrer setzte zunächst die Zwecke eines Arbeitervereins auseinander, die er in 3 Punkte zusammenfasste:

Förderung des religiösen Lebens, der materiellen Wohlfahrt des Arbeiters, Hebung des Standesbewusstseins und der Bildung des IV. Standes, Veredelung der Erholung und Förderung des Familienlebens. Im II. Teil wurden nochmals die Schwierichkeiten und Bedenken gegen die Gründung reiflich erwogen und besonders darauf hingewiesen, dass der Arbeiterverein kein Konkurrenzunternehmen gegen den Männerverein sein sollte. Nicht feindlich, nicht einmal nur friedlich sollen beide Vereine zu einander stehen, sondern dem Grundsatz huldigen: Jeder Verein ist bestrebt, Sorge dafür zu tragen, dass jeder katholische Mann in einem der beiden Vereine, in dem er seine Interessen am besten gewahrt sieht, organisiert ist.

In der Diskussion sprachen sich fast alle Redner für eine sofortige Gründung des katholischen Arbeitervereins aus, so dass der Ortspfarrer am Schluß der Versammlung erklären konnte: Der Katholische Arbeiterverein Seckenheim ist hiermit gegründet. In die zirkulierende Liste trugen sich von den 39 Anwesenden sofort 37 als Mitglieder des neuen Vereiens ein, nämlich die im Mitgliederverzeichnis unter Nummer 1-37 aufgeführten Personen. Mag die kleine Schar stehts nach dem Motto handeln: „Furchtlos und treu!“, dann wird die Gründung sich als Segen für unsere Gemeinde erweisen“.

Gründungsmitglieder


 
1.
Spies Friedrich
Fabrikarbeiter
20.
Meier Ludwig
Fabrikarbeiter
 
2.
Stahl Georg
Werkmeister
21.
Lang Jakob
Schreiner
3.
Keller Jakob
Maurer
22.
Helbig Georg
Fabrikarbeiter
4.
Eder Georg Jakob
Taglöhner
23.
Berlinghoff Adam
Fabrikarbeiter
5.
Koger Basilius
Bahnarbeiter
24.
Sichler Johann
Taglöhner
6.
Maier Franz
Nachtwächter
25.
Ziener Leonhard
Fabrikarbeiter
7.
Herdt Thomas
Maurermeister
26.
Sauer Josef
Fabrikarbeiter
8.
Raule Georg
Fabrikarbeiter
27.
Berlinghoff Johann
Schweinehirt
9.
Meyer Georg
Fabrikarbeiter
28.
Blümmel Heinrich
Töpfer
10.
Stahl Jakob
Töpfer
29.
Blümmel Georg
Landwirt
11.
Hanf Nikkolaus
Händler
30.
Spies Peter
Fabrikarbeiter
12.
Gimber Ludwig
Schreiner
31.
Schmich Georg
Magazinarbeiter
13.
Ditsch Jakob
Töpfer
32.
Hirsch Josef
Bahnarbeiter
14
Eder Georg
Bahnarbeiter
33.
Probst Jakob
Schlosser
15.
Winkler Andreas
Bahnarbeiter
34.
Vogler Sebastian
Maurer
16.
Röser Georg
Kaufmann
35.
Eder Wilhelm
Sodawasser-
17.
Ruf Anton
Bahnarbeiter
fabrikant
18
Koger Josef
Maurer
36.
Fedel Stefan
Buchhalter a.D.
19.
Winkler Jakob
Taglöhner
37.
Schmich Adam 
Landwirt



Chronik


 
18. Feb. 1907
Kath. Männerverein „Centrum“ gegr. 1890, setzt verschiedene Arbeitskreise ein, u.a. auch als Gruppe III „Arbeitersache“
11. Juni 1907
Die Frage wegen der Gründung eines Arbeitervereins wird
eingehend diskutiert
6. Okt. 1907
Gründungsversammlung durch Mitglieder des Kath. Männervereins im „Schwanen“, Sonntag 16 Uhr, Beteiligung 39 Personen, davon sofort 37 als neue Mitglieder eingetragen.
Zweck der Gründung:
Förderung des religiösen Lebens
Materielle Wohlfahrt des Arbeiters
Hebung des Standesbewusstseins
Bildung des IV. Standes
Veredelung der Erholung
Förderung des Familienlebens
27. Okt. 1907
Erste Versammlung im „Adler“.
Vorläufige Wahl des Vorstandes bis zur Generalversammlung

 
Präses:
Pfarrer Valentin Pfenning
Vorstand:
Georg Raule
Schriftführer
Georg Schmich
Kassier
Josef Koger
Mitglieder
43
Beitrag
0,30 RM monatlich

2. Feb. 1908
Generalversammlung im „Schwanen“
Vorstandswahl, 70 Mitglieder, davon 53 anwesend

 
Vorstand:
Georg Raule
Schriftführer
Georg Schmich
Kassier
Josef Koger

Übernahme des Sparvereins

11. Okt. 1908
Einführung der Unterrichtsabende zur Schulung der Mitglieder für öffentliches Auftreten usw.
5. Mai 1909
Festlegung: Wer seine österliche Pflicht als Katholik nicht erfüllt, ist aus dem Verein auszuschließen
21. Aug. 1910
Fahnenweihe mit Festzug durch Seckenheim
an der anschließenden Kundgebung auf dem Schlosshof nehmen ca. 6000 Personen teil
30. Okt. 1910
Eduard Schläfer wird 1. Ehrenmitglied
20. Nov. 1910
Schriftführer Georg Schmich scheidet aus, dafür Fritz Vogler
16. Feb. 1913
Generalversammlung,
Georg Schmich wird Ehrenmitglied
1. Feb. 1914
Generalversammlung
Vorstand:
Georg Raule
Schriftführer
Ludwig Meier
Kassier
Philipp Schreck

20. Feb. 1916
Generalversammlung
Vorstand:
Wilhelm Herdt
Schriftführer
Ludwig Meier
Kassier
Philipp Schreck

01. Mai 1918
Präses Pfarrer Valentin Pfenning wird nach Höpfingen versetzt,
Nachfolger wird Pfarrverweser Alois Schäfer
20. Okt. 1918
Außerordentliche Generalversammlung,
neue Situation: 106 Kriegsteilnehmer,
Gefallene 18, Gefangene: 8, Vermisste: 1
45 erhielten Auszeichnungen
09. Feb. 1919
Begrüßungsfeier für die Kriegsheimkehrer
23. Feb. 1919
Generalversammlung
Vorstand:
Wilhelm Herdt
Schriftführer
Philipp Winkler
Kassier
Philipp Transier

12. Aug. 1919
Pfarrer Schäfer wird versetzt,
Nachfolger Pfarrer Otto Jost
14. März 1920
Generalversammlung
Vorstand:
Wilhelm Herdt
Schriftführer
Karl Rudolphi
Kassier
Philipp Schreck

10. Nov. 1921
Präses Pfarrer Jost wird nach Glottertal versetzt,
Nachfolger wird Pfarrverweser Kilian Eckert
1922 – 1927
von 1922 – 1927 liegen keine Protokolle vor
Pfarrer Spinner wird 1922 Präses,
die Vorstandschaft blieb unverändert
20. Nov. 1927
Versammlung 
Vorstand:
Wilhelm Herdt I
Schriftführer
Hermann Vogler
Kassier
Philipp Schreck

24. Juni 1928
Ausflug nach Höpfingen zu Ehrenpräses Pfarrer Pfenning
09. Okt. 1932
Feier des (25.) Silber-Jubiläums


Stand: 26.06.2000